Viel hilft (nicht?) viel

von | Dez 19, 2019 | Allgemein | 0 Kommentare

Als Arbeitsbereichsleiter für schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit begleite ich Schulen in den Fachbereichen der Schul- und Jugendsozialarbeit, Schulpflege, im Bonusprogramm, sowie in der Kooperation im offenen Ganztag (eFöB und VHG).

Seit vielen Jahren darf ich eine Grundschule begleiten, mit besonderer Problemlage, in einem Sozialraum der zukünftig auch mit Quartiersmanagement „versorgt“ wird – eine Grundschule mit einem Anteil von 78% ndH (nicht deutscher Herkunft) Schüler*innen, einen sehr hohen Anteil an Familien die ALG II beziehen und im Umfeld der Grundschule gibt es eine Gemeinschaftsunterkunft (traumatisierte Geflüchtete), Jugendeinrichtungen, Kitas und weiteren Kooperationspartner*innen wie Jugendamt, Polizei und Gesundheitsamt, die intensiv mit der Grundschule zusammenarbeiten.

Die Grundschule selbst ist bestens mit Hilfen versorgt. So gibt es eine Schulstation (bezirklich finanziert 1,5 Stellen), eine ½ Stelle Jugendsozialarbeit aus dem Landesprogramm Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen, 1 Mitarbeitenden im Bonusprogramm, mit dem Schwerpunkt Klein- und Übergangsklassen, rund 70 Stunden für Schulpflege (Schulhilfe), Sonderpädagog*innen, ehrenamtliche Hausaufgabenhilfen, den Hort (eFöB), sowie auch die Kooperation mit einer Kinder- und Jugendeinrichtung, Kitas und, und, und…………. wow – viel hilft viel oder nicht?

Das liest doch erst einmal sehr gut und wir könnten davon ausgehen das diese Grundschule wenig Probleme mit Gewaltvorfällen und Schuldistanz hat und die präventive Arbeit mit den Schüler*innen und deren Eltern erfolgreich ist? Mit großer Sicherheit gibt es messbare Kriterien, die aufzeigen das diese Vielfalt an Hilfen auch Wirkungen zeigen, aber welche Kriterien sind das und wer erarbeitet solche Kriterien, wird das evaluiert und wie findet eine Evaluation statt? Fragen über Fragen, die ich im Einzelnen nicht beantworten kann, da mir hierzu keine Werte oder Zahlen vorliegen. Vielmehr kann ich hier nur meine Meinung und mein zugegebener Maßen subjektives Wissen zur Verfügung stellen.

Gewalt, Schuldistanz und herausfordernde Elternarbeit beschäftigen die Pädagog*innen der Schule jeden Tag, es gibt viele Besprechungen, Ideen und Projekte, die die Schule unterstützen sollen und alle Beteiligten geben ihr Bestes, um den Schüler*innen und deren Eltern zu helfen. Aus meiner fachlichen Sicht agieren alle Hilfen sehr häufig für sich und es gibt zu wenig Schnittstellen, sowie auch keine Koordination der Hilfen an der Schule. Die Schulleitung hat viele Gespräche mit den Beteiligten, immer wieder auf das einzelne Hilfsangebot bezogen. Bei der Anzahl der Hilfen eine echte Herausforderung, die viel Zeit und Ressourcen benötigt, die eine Schulleitung mit ihrem großen Aufgaben- und Steuerungsaufgaben kaum bewältigen kann…….

Was müsste sich ändern, damit die verschiedenen Hilfsangebote koordiniert werden können und gemeinsame Ziele und Angebote entwickelt werden, die die Themen Schuldistanz Gewalt und Prävention zusammenfassen? Zuerst muss geklärt werden wer die Hilfen an der Schule koordiniert – wer soll und kann das machen?

Das Jugendamt, die Schulaufsicht oder ein Träger der Freien Jugendhilfe und wie wird dabei die Zusammenarbeit mit der Schulleitung sichergestellt? Fragen über Fragen, die nicht weniger werden, da für diese Koordination auch Ressourcen, sprich Expertise gefragt ist, die ebenso auch finanziert werden müsste. Ich halte aus fachlicher Sicht eine Koordination für dringend notwendig, um Hilfen noch zielgerichteter und ressourcenorientierter einzusetzen.

Also, welche Modelle wären denkbar? In den Niederlanden zum Beispiel gibt es an den Schulen eine pädagogische Leitung, die dafür verantwortlich ist, die Schulleitung hat in den Niederlanden andere Aufgaben. In Berlin gibt es solche Stellen meiner Kenntnis nach nicht, es würde sich aber lohnen darüber nachzudenken solche Stellen zu konzipieren! Weiterhin ist es für mich vorstellbar das Träger der Freien Jugendhilfe das koordinieren, da wir Freien Träger seit gut 15 Jahren intensiv mit den Schulen kooperieren und ebenso die vielfältigen Programme und Hilfen an den Schulen stellen. Ressourcen sind also vorhanden, diese müssten nun für die Koordination der Hilfen an Schulen konzipiert und refinanziert werden.

Aber – wir haben doch kein Geld  – Spaß bei Seite, ist aber immer ein Thema wenn es um Hilfen geht – denken wir oder? In den letzten Monaten wurde vermehrt wieder über das Thema HzE in der Schule nachgedacht und Fachgruppen diskutieren darüber – HzE in Bezug auf Kleinklassen, welche die Schulen zusätzlich unterstützen, also wieder ein Hilfsangebot mehr an Schulen, welches viel Geld kostet. Ich hoffe nun an dieser Stelle nicht zu sehr in das Kreuzfeuer der Kritik zu geraten, aber ich traue mich mal . Bevor wir darüber nachdenken HzE an Schulen einzusetzen halte ich es für notwendig die vorhandenen Ressourcen genauer zu betrachten und die Ergebnisse zu überprüfen, um die Hilfen ggf. zielgenauer einzusetzen zu können und auch um gemeinsame Konzepte und Strukturen zu entwickeln.

Viel kann viel helfen, wenn die verschiedenen Programme und Hilfen an Schulen zielgerichteter eingesetzt und koordiniert werden. Ich hätte große Lust an einem solchen Konzept und dessen Umsetzung beteiligt zu sein. Dazu wäre es hilfreich wenn alle verantwortlich Beteiligten aus der Senatsverwaltung, Jugendverwaltung, und den Bezirken (Schulaufsicht und Jugendamt) gemeinsam in die Diskussion gehen und Ideen entwickeln.

Bleibt noch eine Frage zu klären – wer initiiert diesen Prozess und lädt dazu ein – lol 😉 ?

Andreas Oesinghaus

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